Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management, Den Haag / Die Verwendung dieses Bildes ist für redaktionelle Zwecke honorarfrei
Frankfurt am Main (ots) –
Dezember-Kolumne von Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management, Den Haag
Investmentbanken – jedenfalls die großen US-Häuser – neigen berufsmäßig zu Optimismus. Umso erstaunlicher ist es, dass ihre jüngsten Prognosen für 2012 ungewöhnlich verhalten klingen. Das ist nicht zwangsläufig schlecht, denn geringe Erwartungen lassen sich leichter übertreffen als hohe. Angesichts der Eurokrise und des voraussichtlichen Rückgangs der Unternehmensgewinne ist das Anlageumfeld zweifellos schwierig. Doch bei Gewinnen auf Rekordstand und überaus soliden Bilanzen bieten Aktien weiterhin attraktive Chancen.
Das Jahr 2011 war vor allem davon geprägt, dass die Finanzmärkte wirtschaftspolitische Entscheidungen zunehmend mittragen, anstatt einfach nur auf sie zu reagieren. Insofern steht zu erwarten, dass sie auch eine tragfähigere Lösung der Eurokrise aktiv durchsetzen werden und damit einen politischen Prozess beschleunigen, der andernfalls Jahre dauern würde. Ein Auseinanderfallen der Eurozone wäre fatal, bleibt aber ein Risiko, das Investoren weder ignorieren noch begrüßen sollten. Letztlich ist diese Gefahr lediglich ein weiterer Grund zur Diversifikation, die in jedem Fall geboten ist.
Um die Chancen für 2012 zu begreifen, müssen wir zunächst die richtigen Lehren aus 2011 ziehen.
– Die Finanzmärkte sind nach wie vor unersättlich, wenn es um
Wachstum geht (ähnlich wie die Konsumenten in den USA).
– Um die Wachstumsentwicklung aufrechtzuerhalten, sind die Märkte
bereit, ein ungeheures Maß an Fremdfinanzierung in Kauf zu
nehmen – solange sie ein Land oder Unternehmen als
wettbewerbsfähig und flexibel einschätzen und sich das
betreffende Land bzw. Unternehmen ausreichend Liquidität
verschaffen kann.
– Gerade hier müssen die Zentralbanken zunehmend ihre Funktion als
glaubwürdiger „Lender of Last Resort“ wahrnehmen – und vor allem
als solcher wahrgenommen werden. Andernfalls würden die
Geldmärkte zufrieren und es käme zu einer Abwärtsspirale, die
schließlich auch die Solvenz bedrohen würde.
Daher ist Liquidität auf kurze Sicht das dringlichste Problem. Die Renditen britischer Langläufer liegen mittlerweile auf einem ähnlichen Niveau wie die vergleichbarer Bundesanleihen – trotz der weitaus besseren Rahmendaten in Deutschland. Grund ist die bessere Liquiditätsversorgung in Großbritannien. Im Gegensatz zur EZB gilt die Bank of England nämlich als zuverlässiger Lender of Last Resort. Mit Liquidität kauft man Zeit. Und Zeit ist dringend erforderlich, damit Südeuropa Probleme wie mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität wirksam angehen kann – unter den wachsamen Augen von Markt und Aufsichtsbehörden.
Je nachdem, wie erfolgreich die politischen Entscheidungsträger mit der Konzipierung von Lösungen für die Liquiditätsklemme in der EWU sind, wird die Eurozone sich einer schweren oder lediglich einer leichten Rezession gegenübersehen. In den USA sind die Weichen für eine Fortsetzung der staatlichen Konjunkturförderung in 2012 bereits gestellt. Damit können die USA eine Rezession wahrscheinlich abwenden, auch wenn das Wachstum sehr bescheiden bleibt. Die Schwellenländer scheinen immer noch in guter Verfassung zu sein; ein langsameres Wachstum wird hier womöglich durch sinkende Zinsen ausgeglichen.
Das oben skizzierte Szenario, bei dem es an den meisten entwickelten Märkten zu moderaten Gewinnrückgängen und an einigen Emerging Markets zu Gewinnzuwächsen kommt, spiegelt sich in den Aktienbewertungen bereits weitgehend wider. Angesichts der geringen Erwartungen hält sich die Wahrscheinlichkeit positiver oder negativer Überraschungen die Waage. Vor diesem Hintergrund weisen die Aktienkurse ein nur begrenztes Aufwärtspotenzial auf; insofern steigt die Bedeutung von Dividenden als Ertragsfaktor insgesamt.
Was empfehlen wir also? Wir setzen auf internationale Großunternehmen mit gutem Zugang zu den Kapitalmärkten, Wachstum und auskömmlichen Dividendenrenditen. Das heißt: Energieaktien (vor allem Erdölkonzerne), Pharmakonzerne und Lebensmittelhersteller wegen der Dividenden und führende Technologieunternehmen wegen ihrer Wachstumsdynamik. Die hohen Dividenden europäischer Telcos und Versorger sollten mit einer gewissen Vorsicht betrachtet werden, denn hier mag es bei der Nachhaltigkeit hapern. Finanzwerte und Zykliker würden am stärksten von einer entschlossenen Lösung der Eurokrise profitieren; hier rechnen wir jedoch mit einem eher uneinheitlichen Verlauf.
Orginal-Meldung: http://www.presseportal.de/pm/66684/2159775/aktien-ausblick-fuer-2012-mit-bild/api