Heidelberg (ots) – Die Occupy Bewegung ist in ihrem Wunsch nach weitreichenden und nachhaltigen Veränderungen im Finanzsektor vereint, und findet dabei mehr und mehr Rückhalt in der Gesellschaft. Aber welche Menschen stecken dahinter? Was motiviert sie zu ihrem Engagement? Welche Vorstellungen haben Sie zu einem „neuen“ Finanzsystem? Dieser Frage ging die GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung, Heidelberg, in einer ethnologischen Studie nach.
Ergebnis: Die Bewegung ist sehr vielfältig, von Geschäftsleuten die sich in Teilzeit engagieren bis hin zu Utopisten und Aussteigern. Aus dieser Vielfalt kann man aber nicht den Schluss ziehen, die Occupy-Bewegung wisse nicht was sie wolle. Vielmehr sind die Erwartungen an die Finanzwelt konstruktiv und konkret. „Occupy-Aktivisten und mit Occupy sympathisierende Bankkunden sind im Wunsch vereint, dass sich Banken wieder stärker nach dem Modell der Genossenschaftsbanken ihrem eigentlichen Kerngeschäft widmen: Der Verwaltung und Sicherung des Geldes, der Kreditvergabe für realistische und seriöse Geschäftsideen, sowie der Kundenberatung und Aufklärung im Sinne des Kunden“, so Dr. Tomas Jerkovic von der GIM Gesellschaft für innovative Marktforschung.
Wie stark die Vielfalt in Motivation, Lebenslage und Weltsicht unter den Occupy Aktivisten ist, zeigen zwei Portraits.
Portrait: Integrierte Idealisten
„Eine wichtige Gruppe innerhalb von Occupy sind die „Integrierten Idealisten“, die besonders in der Anfangsphase im Herbst und Winter 2011 die thematische und organisatorische Aufstellung des Occupy Camps entscheidend vorangebracht haben“, so Dr. Tomas Jerkovic. Bei den „Integrierten Idealisten“ handelt es sich um wohlsituierte gut, ausgebildete Berufstätige mit Familie, die eine informierten und differenzierten Blick auf das Finanzsystem haben. Sie verbringen einen Teil ihrer Zeit im Camp neben Arbeitswelt und Familie. Ein typisches Zitat dieser Gruppe ist „In meiner Freizeit will ich für eine gerechtere Welt einstehen“. Das Engagement der „Integrierten Idealisten“ für mehr soziale Gerechtigkeit und ihr Wunsch nach einem nachhaltigen gesellschaftlichen Wertewandel fußen auf ihrer systemkritische Sozialisation.
Portrait: Utopisten Aussteiger
Die „Utopisten Aussteiger“ repräsentieren eine weitere große Gruppe innerhalb von Occupy, die in ihrer grundsätzlichen Systemkritik am Finanzsektor mit anderen Teilen der Bewegung übereinstimmen, aber weniger an realpolitischen Lösungen interessiert sind als am generellen Diskurs (Utopisten) bzw. am apolitischen Happening (Aussteiger). „Utopisten Aussteiger“ sind enttäuscht vom System, die peer group ist ihre zentrale Bezugsgröße und dominiert auch Weltsicht und Informationsverhalten. Abgekoppelt von Bindungen an Familie und Arbeitswelt äußert diese Gruppe fundamentale Systemkritik, und sieht sich als Opfer des Systems. Die Suche nach konkreten Lösungen ist weniger wichtig. Occupy wird als offene Plattform genutzt – zum einen für den Diskurs und zum anderen zur Verwirklichung der individuell angestrebten Lebensform. Typische Zitate dieser Gruppe sind: „Der Kapitalismus hat sich global nicht bewährt. Das müssen wir einsehen!“ „In meiner Heimatstadt gibt es leider kein Camp, wo man an jedem Abend eine Party mit den coolsten Typen feiern kann.“
Informationen zur Studie:
„Fluide“ Gruppendiskussion und Einzelgespräche im Frankfurter Occupy Camp (Asamblea) mit Doppelmoderation: Ein Forscher hatte vorher die ethnologische Rekrutierung durchgeführt und somit Zugang zur Gruppe hergestellt – er fungierte während der Gruppendiskussion als Cultural Broker. Ein zweiter Moderator / Forscher betrat das Camp erst zur eigentlichen Gruppendiskussion und war neutraler Explorateur. Zudem Gruppendiskussionen und Einzelgespräche mit Occupy-Sympathisanten (Singles, Familien, Anleger) und occupy-affinen Bankangestellten. Studienleitung: Dr. Tomas Jerkovic Jochen Resch.
Orginal-Meldung: http://www.presseportal.de/pm/43317/2263343/occupy-wer-die-aktivisten-wirklich-sind-und-was-die-bankkunden-denken-eine-ethnologische-gim-studie/api