Frankfurt am Main. Zunehmende Wachstumszweifel haben in den vergangenen Tagen zu deutlichen Kursrückgängen bei Aktien geführt. Eine Kapitulation der Anleger hat jedoch noch nicht stattgefunden. Ein tragfähiger Kursboden ist u.E. noch nicht erreicht.
Aktien haben in den vergangenen Wochen zum Teil deutliche Kursrückgänge erlitten. Die Kursschwäche, die sich zuerst bei Small- und Mid-Caps zeigte, hat längst die Standardwerte-Indizes erfasst. Am stärksten sind die Kursrückgänge beim DAX, aber auch die lange Zeit überraschend robusten US-Leitindizes S&P 500 und Dow Jones Industrials sind zuletzt unter die 200-Tage-Linie gefallen. Insgesamt hat der Kursabschwung sichtbar an Breite gewonnen: Im Vormonatsvergleich weisen die wichtigsten MSCI-Länderindizes aus Nord- und Lateinamerika, Europa sowie Asien- Pazifik Kursrückgänge auf (siehe Seite 5, Aktienmarktmonitor). Weniger als die Hälfte dieser Indizes notieren gegenüber dem Jahresultimo noch im Plus – Zeit also für eine Bestandsaufnahme.
Im Kapitalmarktausblick 2014 hatten wir vor etwa einem Jahr erläutert: „Die Aktienhausse befindet sich inzwischen in einem späten Stadium. Verglichen mit früheren Kursaufschwüngen nach Bärenmärkten haben nicht nur die US-Leitindizes, sondern auch der DAX außerordentlich stark zugelegt und damit viel Positives vorweggenommen. Das zyklische Kurspotenzial ist bereits größtenteils ausgeschöpft. Die insgesamt eher verhaltene Wachstumsdynamik spricht lediglich für einen Anstieg der Unternehmensgewinne im einstelligen Bereich. Spätestens mit dem Ende der Anleihekäufe durch die US-Notenbank dürften Dividendentitel den Kursgipfel überschreiten. Zum Jahresende fällt der DAX unter 9.000 Punkte (DAX-Spanne 2014: 8.300 bis 10.000 Punkte).“
Lange Zeit wurden rückläufige Frühindikatoren, negative Gewinnrevisionen und eine zu hohe Bewertung von den Marktteilnehmern mehr oder weniger ausgeblendet. Die ultralockere Geldpolitik und der damit verbundene Anlagenotstand wogen aus Sicht vieler Anleger schwerer. Zuletzt sind an den Aktienmärkten jedoch sichtbare Zweifel aufgekommen, ob üppige Liquidität und niedrige Zinsen ausreichen, um das recht ambitionierte Bewertungsniveau, geschweige denn weitere Kurszuwächse zu rechtfertigen. Wenige Tage nach der EZB-Sitzung am 4. September, auf der u.a. der Leitzins um weitere 10 Basispunkte gesenkt und der Ankauf von ABS und Covered Bonds angekündigt wurde, war die Zwischenerholung bei Euro-Titeln bereits wieder vorbei. Selbst die Tatsache, dass die für das kommende Jahr anstehenenden US-Zinserhöhungen an den Terminmärkten zuletzt deutlich nach hinten verschoben wurden, hilft Aktien offensichtlich nicht. Somit sind für die Kursperspektiven die Entwicklung der konjunkturellen Frühindikatoren und die Gewinnaussichten der Unternehmen sowie die Frage der angemessenen Bewertung entscheidend.
Angesichts noch fallender Frühindikatoren ist davon auszugehen, dass die Anleger weitere Bewertungsabschläge fordern werden. Legt man den gerade in den letzten Jahren sehr engen Zusammenhang zwischen den ZEW-Konjunkturerwartungen und dem DAX-KGV zugrunde, dürften deutsche Standardwerte gegenwärtig lediglich noch mit einem KGV zwischen 10 und 11 bewertet werden.
Auf Basis der Konsens-Gewinnschätzungen für die kommenden 12 Monate ergäbe sich für den DAX ein Wert von rund 8.300 Punkten. Dies deckt sich mit unserer Prognose für den unteren Rand der DAX-Schwankungsbreite 2014 im Basisszenario. Dabei wird unterstellt, dass sich die gegenwärtige Wachstumsschwäche nicht zu einer tiefen Rezession ausweitet und dass die konjunkturelle Abkühlung spätestens im Frühjahr 2015 zu einem Ende kommen wird. Im Negativszenario, das wir derzeit nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 % versehen, käme es zu deutlich höheren Bewertungsabschlägen und der DAX würde in das Band zwischen 8.000 und 6.000 eintauchen.
Insgesamt zeigt die Analyse der fundamentalen Wertfaktoren, dass selbst auf dem bereits deutlich reduzierten Kursniveau das Chance-Risiko-Verhältnis noch nicht hinreichend attraktiv ist.
Für das Timing an den Aktienmärkten ist neben fundamentalen Aspekten die Stimmung der Marktteilnehmer eine wichtige Entscheidungsgröße. Grundsätzlich gilt: Stimmungsindikatoren sind Kontraindikatoren.
Je schlechter die Stimmung, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass das Kurstief erreicht ist. Jüngste Umfragen zeigen zwar, dass Anleger insbesondere mit Blick auf die kurzfristigen Aktienperspektiven schon sehr pessimistisch gestimmt sind. Klassische Angstindikatoren, wie die implizite Aktienvolatilität, bewegen sich jedoch trotz des jüngsten Anstiegs auf einem für die gegenwärtige Zyklusphase zu niedrigem Niveau. Ein Ausverkauf hat somit noch nicht stattgefunden.
Damit ist vermutlich auch noch kein tragfähiger Kursboden gefunden. Für breite Neuengagements ist es daher aus unserer Sicht noch etwas zu früh. Wir raten dazu, das Pulver vorerst noch trocken zu halten.