Kapitalmarkt Kompakt: Anleger unter Stress
– Der Euro-Dollar-Kurs neigt weiter zur Schwäche. Die robuste US-Konjunktur schürt die Erwartungen auf eine Zinswende der Fed. Dagegen wird die EZB voraussichtlich ihre Geldpolitik noch expansiver gestalten. Die divergente Geldpolitik sollte den Euro-Dollar-Kurs weiter belasten, selbst wenn bereits einiges davon im Wechselkurs berücksichtigt ist.
– Die historisch hohen Kursstände bei Renten sind vorerst noch gut unterstützt. Mit einem erweiterten Ankaufprogramm von Staatspapieren dürfte Mario Draghi den Lockerungskurs fortsetzen und von einer Zinssteuerung zu einer Lenkung der EZB-Bilanzsumme übergehen. Die EZB schafft mit ihrer aggressiven Geldpolitik ein Gegengewicht zur Zinswende in den USA.
– Der Ausflug des DAX über die 10.000-Punkte-Marke scheint erst einmal gestoppt. Schließlich spricht mit Ausnahme der lockeren Geldpolitik nicht viel für nachhaltig höhere Notierungen. Vielmehr überwiegen bei Aktien angesichts der schon wieder überhitzten Stimmung die Korrekturrisiken.
Devisen: US-Dollar marschiert weiter
Nichts Neues an der Euro-Dollar-Front. Der Abwärtstrend dieses Wechselkurses setzt sich fort, so kostete ein Euro im Tief weniger als 1,23 US-Dollar. Gleichwohl hat die Fallgeschwindigkeit in den letzten Wochen nachgelassen. Seit Jahresmitte hat die US-Währung gegenüber dem Euro gut 10 % gewonnen. Der Vergleich zu anderen Währungen jedoch unterstreicht, dass es sich mehr um eine Stärke des US-Dollar denn um eine Schwäche des Euro handelt. Viele andere Währungen verloren gegenüber dem Greenback fast genauso stark wie der Euro bzw. sogar noch mehr. Allen voran geriet der Japanische Yen unter Druck, aber auch Rohstoffwährungen ließen merklich Federn.
US-Dollar profitiert von starker Wirtschaft
Die Dollar-Aufwertung basiert auf der Stärke der US-Wirtschaft. Eine robuste Konjunkturdynamik stützt nicht immer zwangsläufig die eigene Währung, insbesondere im Fall der USA. Wenn dies hingegen mit einem Kurswechsel der Geldpolitik einhergeht, dann reagiert der Devisenmarkt aber eindeutiger. So hat die US-Notenbank ihr Anleihekaufprogramm mittlerweile nicht nur vollständig heruntergefahren, sondern auch für 2015 die Zinswende auf die Agenda gesetzt. Hinsichtlich eines konkreten Zeitpunkts für die erste Anhebung hat sich die Federal Reserve bislang nur sehr vage geäußert. An den Geldmärkten wird aktuell das dritte Quartal gehandelt. Die US-Wirtschaft wächst derzeit recht kräftig. Die Beschäftigung expandiert so stark wie seit vielen Jahren nicht mehr, die Arbeitslosenquote fällt. Die Stimmungsindikatoren deuten auf ein anhaltend hohes Wachstum. Das US-Bruttoinlandsprodukt könnte im kommenden Jahr um 3 % zulegen. Daher dürfte die Fed bereits im ersten Halbjahr 2015 den ersten Zinsschritt vollziehen. Der Zinsvorsprung des US-Dollar wird sich daher wohl noch zusätzlich ausweiten und die US-Währung entsprechend beflügeln.
Divergierende Geldpolitik gibt den Weg vor
In der Eurozone hat sich die konjunkturelle Lage stabilisiert. Gleichwohl gibt es noch erhebliche Unsicherheitsfaktoren. Die Inflation sank – auch angesichts des niedrigen Ölpreises – zuletzt weiter. Zwar gab die EZB keine klaren Signale hinsichtlich eines neuen Anleihekaufprogramms.
Dennoch wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbank Anfang 2015 den Beschluss für Staatsanleihekäufe fasst, um die avisierte Ausweitung ihrer Bilanzsumme zu erreichen. Dies sollte zumindest in der Tendenz den Euro belasten. Die gegensätzliche Geldpolitik spricht dafür, dass der Euro-Dollar-Kurs bis ins Frühjahr 2015 unter 1,20 fällt. Da am Devisenmarkt mittlerweile schon einige Effekte eingepreist sind, sollte für das kommende Jahr keine durchgehende Abwärtsbewegung fortgeschrieben werden, zumal sich die Konjunktur in der Eurozone im Verlauf von 2015 etwas festigen sollte.
Gleiches gilt auch für den Japanischen Yen. Denn trotz der expansiven Geldpolitik in Japan ist zumindest kurzfristig das Abwertungspotenzial des Yen ausgereizt. Das Britische Pfund wird gegenüber dem Euro zunächst auf der Stelle treten, bevor es von britischen Zinserhöhungserwartungen 2015 einen Schub bekommt. Der Schweizer Franken schwächte sich ungeachtet des abgelehnten Referendums der „Goldinitiative“ kaum ab.
Renten: EZB zieht alle Register
Kurz vor Jahresende zeichnet sich eine sehr gute Ertragsbilanz bei Renten ab: Sieben- bis zehnjährige Bundesanleihen weisen ein Plus von über 12 % auf. Fünf- bis siebenjährige Papiere legten im Jahresverlauf um rund 7 % und drei- bis fünfjährige Anleihen um über 3 % zu. Kurze Laufzeiten weisen hingegen einen Ertragszuwachs von weniger als 1 % auf.
Ein Grund für die gute Renten-Performance war die schleppende Konjunkturentwicklung in diesem Jahr. Mit einem leichten Quartalzuwachs entging Deutschland zuletzt nur knapp einer technischen Rezession. Frankreich verbesserte sich im dritten Quartal zwar aufgrund höherer Staatsausgaben, bleibt aber ebenso wie Italien in einer strukturell kritischen Verfassung. Dagegen zeigt sich Spanien nach den Reformen konjunkturell gefestigt. Zuletzt waren die Nachrichten nicht mehr so negativ:
So stieg der ifo-Index erstmals seit April wieder an. Des Weiteren konnte im November der EUKonjunkturindex den zweiten Monat in Folge ansteigen. Da gleichzeitig auch die Geldmenge M1 ihren Aufwärtstrend fortsetzte, besteht Hoffnung, dass die extreme EZB-Geldpolitik doch Wirkung entfaltet und zu einer Konjunkturverbesserung im Laufe des kommenden Jahres führt. Für Rückenwind dürften neben den niedrigen Energiepreisen auch ein schwächerer Euro-Außenwert sowie das von der EU geplante Konjunkturpaket sorgen.
Deflationssorgen halten an
Einen noch größeren Beitrag zum Kursanstieg bei Renten leistete der kräftige Teuerungsrückgang 2014. Im November ist die Teuerung im Euroraum leicht auf 0,3 % zurückgegangen. Die Kernrate verharrte hingegen nach erster Schätzung bei 0,7 %. Der markante Ölpreisrückgang schiebt den zyklischen Tiefpunkt bei den Verbraucherpreisen in das kommende Jahr. Damit dürften die Sorgen vor einer Deflation zunächst noch Bestand haben und den Befürwortern des erweiterten Ankaufprogramms Argumentationsmasse liefern. Erst im Jahresverlauf 2015 ist mit einem moderaten Teuerungsanstieg zu rechnen. In Deutschland wird der eingeführte Mindestlohn zu Kostensteigerungen beitragen.
Mario Draghi drängt auf Ankauf von Staatsanleihen
Die Zinssenkungskarten sind im ablaufenden Jahr alle ausgespielt worden und trugen entscheidend zum markanten Renditerückgang im Euroraum bei. Die EZB wird 2015 den Lockerungskurs vermutlich mit einem erweiterten Ankaufprogramm inklusive Euro-Staatsanleihen fortsetzen. Die EZB geht mit der angepeilten Ausweitung ihrer Bilanzsumme von einer Billion Euro praktisch von einer Zinssteuerung zu einer Liquiditätslenkung über. Die bisher ergriffenen Maßnahmen (Ankauf von Covered Bonds, ABS und TLTRO) erzielen vermutlich noch nicht einmal die Hälfte des erwünschten Volumens. Mit der Renditeabsicherung für die Euroländer erweitert die EZB ihren Einflussbereich und eröffnet neue Spielräume für fiskalpolitische Maßnahmen. Allerdings gibt es immer noch die alten Schulden- und Defizitgrenzen im Euroraum, die limitierend wirken. Insgesamt begibt sich die EZB, so sind die Erfahrungen mit dem Thema Negativzins, noch tiefer in schwieriges (politisches) Fahrwasser, was langfristig ihrer Reputation schaden könnte.
Aktien: Erholung stößt an Grenzen
Auf schwachem Fundament
2014 war bislang für Euroaktien ein durchwachsenes Jahr mit per Saldo unterdurchschnittlichen Kurszuwächsen und raschen Wechseln zwischen Risikoaversion und Risikofreude. Die ultralockere Geldpolitik, immer niedrigere Renditen bei den klassischen Anlagealternativen und das saisonale Muster haben Anleger in den vergangenen Wochen dazu veranlasst, bei Aktien wieder zuzugreifen.
Nach dem Einbruch im Oktober legten die international führenden Indizes eine beeindruckende Rally hin. Mit Erreichen der 10.000-Punkte-Marke hat der DAX nicht nur die zeitweilig sehr ausgeprägten Konjunkturängste ausgepreist, sondern schon wieder einiges an Vorschusslorbeeren mit Blick auf die Wachstums- und Gewinnperspektiven erhalten. Schließlich geht der jüngste Anstieg der Notierungen weit über das hinaus, was durch die Stabilisierung bei konjunkturellen Frühindikatoren wie dem ZEW-Index oder dem ifo-Geschäftsklima gerechtfertigt wäre.
So ist der Kursanstieg nicht etwa auf eine Verbesserung der Unternehmensgewinne zurückzuführen.
Schließlich wurden die Konsens-Schätzungen für die Nettoergebnisse der kommenden zwölf Monate mehrheitlich nach unten revidiert. Die Rally basiert vielmehr auf einer Bewertungsexpansion.
Damit haben deutsche und europäische Standardwerte wieder den oberen Rand des KGVBandes der vergangenen zehn Jahre erreicht. US-Titel sind sogar noch teurer. Die Luft wird somit extrem dünn. Jenseits des Ölpreisrückgangs und lockerer Geldpolitik sind global keine wirklichen Wachstumstreiber auszumachen. Angesichts der verhaltenen Dynamik der Weltwirtschaft sind insgesamt nur moderate Gewinnzuwächse zu erwarten. Dabei dürften die Nettoergebnisse der US-Unternehmen bei Abbau der zuletzt sehr hohen Margen geringer zulegen als die Umsätze. Bei EURO STOXX 50- und DAX-Unternehmen haben die Margen dagegen eher noch Luft nach oben, so dass die Nettoergebnisse etwas stärker steigen dürften als die Umsätze. Nach dem jüngsten deutlichen Anstieg der Notierungen ist das fundamentale Kurspotenzial allerdings bereits weitgehend ausgereizt.