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ESMA – quo vadis?

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Bielefeld. Seit dem 12. Februar 2014 melden sowohl Kreditinstitute als auch meldepflichtige Unternehmen ihre Derivategeschäfte an ein Transaktionsregister. Diese Meldepflicht wurde mit der EU-Verordnung Nr. 648/2012 (European Market Infrastructure Regulation; EMIR-Verordnung) eingeführt. In Artikel 9 der Verordnung wurde der ESMA – Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde – die Befugnis übertragen, die notwendigen Standards für die Meldepflicht zu erlassen.

Die ESMA hat diese Befugnis angewandt, in dem sie die Meldepflicht durch umfangreiche technische Regulierungsstandards – RTS; ESMA document 2012/600 – und technische Durchführungsstandards – ITS – konkretisiert hat. Diese technischen Standards haben EU-Verordnungscharakter und stellen daher unmittelbar bindendes Recht da.

Bild: EMIR soll Licht ins Dunkle bringen - Frankfurt am Main bei Dämmerung.
Bild: EMIR soll Licht ins Dunkle bringen – Frankfurt am Main bei Dämmerung.

Allerdings hat sich in der Umsetzungsphase und auch im Live-Betrieb herausgestellt, dass es trotz der sehr detaillierten Standards großen Interpretationsspielraum gibt. Daher hat die ESMA regelmäßig so genannte Q&A (Questions and Answers) herausgegeben, um die dringendsten Fragen zu klären. Diese Q&A haben im Gegensatz zu den RTS und ITS keinen EU-Verordnungscharakter und stellen deswegen kein bindendes Recht dar. Dies führt zu der Situation, dass die meldepflichtigen Unternehmen diese Hinweise nicht berücksichtigen müssen und die ESMA sowie die lokalen Aufsichten keine rechtliche Handhabe haben, Sanktionen durchzusetzen, falls die Hinweise aus den Q&A ignoriert werden. Um diesen handwerklichen Fehler zu heilen, schlägt die ESMA nun vor, die wichtigsten Punkte aus den Q&A in technische Standards umzusetzen. Diese Klarstellungen zielen auf eine konsequentere und einheitliche Befüllung von Feldern für das Reporting komplexer Derivate ab.

Darüber hinaus schlägt die ESMA „wesentliche Verbesserungen“ vor, die ebenfalls in Regulierungsstandards gegossen werden sollen. Die Vorschläge sind in einem neuen Konsultationspapier „Review of the technical standards on reporting under Article 9 of EMIR“ (10 November 2014 | ESMA/2014/1352) veröffentlicht.

Leider sind die Vorschläge noch nicht so eindeutig, wie sie sein könnten. So ist zum Beispiel nicht geregelt, ob die Änderungen auch für historische Trades gelten sollen. Die ESMA hatte eingeräumt, dass bestimmte Trades, die in einem Zeitraum vor der erstmaligen Meldung geschlossen wurden, bis 2017 gemeldet werden dürfen. Einige Kreditinstitute haben diese Trades bereits gemeldet, andere nicht. Es ist unklar, wie für diese Trades eine Reconciliation stattfinden kann. Ebenso ist nicht geregelt, ob diese Änderungen für bereits gemeldete und abgelaufene Trades gelten sollen. Auch das wäre abzulehnen, denn die Informationen liegen für historische Trades mitunter gar nicht mehr vor. Allerdings dürfte dieser Umstand dem Regulator unwichtig sein, denn eine revisionsgerechte Aufbewahrungsfrist ist obligatorisch. Die Daten liegen vor, es ist nur mühselig, diese herauszusuchen.

Größere Änderungen gibt es unter anderem bei der Meldung der Sicherheiten. Die aktuelle Meldepflicht verlangt Informationen über „Collateral“. Dieser Begriff lässt sehr viel Raum für Interpretationen. Ob nur erhaltene oder nur gezahlte Sicherheiten gemeldet werden sollen, ist unklar. Zukünftig sollen Informationen über Initial Margin und Variation Margin geliefert werden, getrennt nach „erhalten“ oder „geleistete“. Hierbei werden einige Punkte nicht geregelt. Initial Margin wird grundsätzlich auf Portfolio-Ebene ausgewiesen, nicht auf Trade-Ebene, wie in der Veröffentlichung der ESMA zu sehen ist. Für „erhaltene“ und „geleistete“ Margin soll es zum Beispiel unterschiedliche Felder geben. Mit einem Feld und einem Vorzeichen würde die Komplexität reduziert werden; das ist aber nur eine Kleinigkeit. Viel wichtiger ist die Frage, ob Intraday-Margincalls gemeldet werden müssen, oder nicht. Anzuraten wäre eine end-of-day-Meldung, wobei hier dann wieder die Frage entsteht, wie mit unterschiedlichen Zeitpunkten, an denen die end-of-day-Verarbeitung in Kreditinstituten stattfindet, umgegangen werden kann.

Die ESMA bittet um Anmerkungen bis zum 13.02.2015. In diesem frühen Stadium ist die Einflussmöglichkeit am Größten, darum könnte man prüfen, ob eine schriftliche Stellungnahme sinnvoll ist. Leider dürfte der Einfluss eher gering sein, denn der Regulator ist in seiner Position sehr gefestigt. Überhaupt sind die Interessensgegensätze derzeit noch sehr groß. Auf der einen Seite steht die Forderung nach Transparenz, ja sogar die Eindämmung des Geschäfts. Dafür gibt es auch gute Gründe, genannt sei hier vor allem die Bankenkrise beginnend 2008. Auf der anderen Seite stehen die Interessensgruppen, die weder Transparenz noch eine Eindämmung des Geschäfts wünschen.

Grundsätzlich ist es aber zu bezweifeln, ob die ESMA mit diesem Konsultationspapier und den daraus folgenden Verordnungen ihrem Ziel, Transparenz über Derivatepositionen und der einhergehenden Risiken zu schaffen, näher kommt. Aktuell ist die Matchingquote sehr gering. Praktisch kann nur da ein Matching gelingen, wo Banken die eigene Meldung und die Meldung ihrer Kunden aus ein und demselben System erzeugen (full delegation). In allen anderen Fällen wird ein Matching großflächig scheitern. Eine Überlegung wäre es, die Komplexität dieser Meldung zu reduzieren und nicht zu erhöhen, dies auch unter Berücksichtigung der gerade anstehenden und nur kurzfristig vorbereiteten sogenannten „Level 1 Validation“ mit Start am 01.12.2014, die ebenfalls Ressourcen bindet. Die Qualität einer weniger komplexen Meldung dürfte höher sein und die ESMA würde ihr Ziel möglicherweise eher erreichen. Es drängt sich die Hypothese auf, dass es das eigentliche – unerwähnte – Ziel ist, das Geschäft immer weiter zu regulieren und somit immer teurer zu machen, bis der rein spekulative Teil des Geschäfts verschwindet, die Marge steigt und es faire Preise gibt. Daraus folgt auch, dass die ESMA die Zügel kontinuierlich anziehen wird.

Die Kreditwirtschaft und die meldepflichtigen Unternehmen sollten deswegen mit einer anhaltend hohen Geschwindigkeit auf der Beschlussebene rechnen. Die EMIR-Meldung steht immer noch am Anfang des Lebenszyklus. Es ist nicht davon auszugehen, dass mit der nun anstehenden Änderung diese Meldung einen finalen Stand erreichen wird. Dazu reicht ein Blick auf die §9-Meldung nach WpHG – die Kreditwirtschaft ist verpflichtet, der BaFin jedes Geschäft in Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, mitzuteilen – wo es auch 20 Jahre nach Implementierung immer noch zu Konkretisierungen kommen kann. Die EMIR-Meldung ist viel komplexer, als die WpHG-Meldung: Europaweites Einzugsgebiet, mehrere Melderegister, produktbezogene Schnittstellen. Deswegen sollten sich die Beteiligten darauf einrichten, dass es auch bei der EMIR-Meldung auf lange Sicht jederzeit Änderungen geben wird.

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