Hamburg. „Unseriöse Beratungen!“ „Nicht der Kunde, sondern der Profit ist König!“ Gerade in der heißen Phase der Finanzkrise war die mediale, öffentliche Kritik an der Finanzbranche groß. Doch abgesehen vom faktischen Fehlverhalten einiger Unternehmen – wie gerechtfertigt sind diese Vorwürfe? Wie war es um die Beratungsqualität der Finanzdienstleister in den letzten Jahren bestellt, und wie sieht es heute aus? Wie unterscheiden sich Banken und Versicherer? Und in welchen Servicebereichen gibt es Auffälligkeiten? Prof. Dr. Thomas Liebetruth (OTH Regensburg) stellt nun die Ergebnisse einer erstmaligen Metaanalyse vor, die diese Fragen fundiert beantwortet.
Die Untersuchung basiert auf Marktforschungsstudien des Deutschen Instituts für Service-Qualität und reflektiert die Entwicklung der Servicequalität der Finanzdienstleistungsbranche. Einige spannende Ergebnisse:
– Die durchschnittliche Servicequalität der gesamten Branche pendelte im Verlauf der letzten Jahre zwischen einem guten und einem befriedigenden Niveau.
– In den akuten Jahren der Finanzkrise (2011/2012) fielen die Beratungen vor Ort deutlich besser aus. Danach nahm die Qualität des Services in diesem Bereich wieder ab.
– Die Finanzbranche war in den Servicebereichen Telefon, Internet und Beratung vor Ort konstant deutlich besser aufgestellt als im Servicebereich E-Mail.
– Die Service-Schwachstelle E-Mail-Bearbeitung manifestiert sich zum Beispiel auch in der Wartezeit. Laut aktueller Studien des Jahres 2014 mussten Kunden im Schnitt noch über 24 Stunden auf die Beantwortung ihrer E-Mail-Anfrage warten.
– Vergleich Banken versus Versicherer: Der Service der Banken war insgesamt besser als der von Versicherungsunternehmen.
– Detailergebnis Banken: Der telefonische Service der Direktbanken war kontinuierlich besser als jener der klassischen Finanzinstitute.
– Detailergebnis Versicherer: Direktversicherer sind in puncto E-Mail-Bearbeitung und Qualität der Internetauftritte deutlich besser aufgestellt als klassische Versicherer. Der telefonische Service verläuft auf einem vergleichbaren Niveau.
„Die These von der Servicewüste Deutschland ist, zumindest in der Finanzbranche, so nicht haltbar“, so Autor Prof. Dr. Thomas Liebetruth. „Die Entwicklung der Servicequalität in den letzten Jahren hat vor allem zweierlei gezeigt: Zum einen sind Pauschalurteile angesichts sehr positiver Ergebnisse von Unternehmen unangebracht, und zum zweiten bewegt sich die Servicequalität selbst im Branchendurchschnitt zwischen den Qualitätsurteilen gut und befriedigend.“
Grundlage der wissenschaftlichen Analyse waren 81 Studien, die das Deutsche Institut für Service-Qualität im Zeitraum 2010 bis August 2014 im Bereich der Finanzdienstleistungsbranche (Banken und Versicherer) durchgeführt hat. Anhand von Mystery-Tests wurden dabei rund 300 Unternehmen unter die Lupe genommen. Untersucht wurde die Servicekanäle Telefon, Internet, E-Mail – sowie bei Unternehmen mit Filialgeschäft – die Beratung vor Ort. In die Auswertung flossen insgesamt 42.225 Servicekontakte.
Quelle: Deutsches Institut für Service-Qualität.