Berlin. Zum 1. Januar 2015 ergeben sich gravierende Änderungen bei der Umsatzbesteuerung von elektronischen Dienstleistungen sowie Rundfunk- und Telekommunikationsdienstleistungen. Dies gilt insbesondere bei Leistungen gegenüber Privatpersonen. Daniel Ziska, SIBB-Co-Forensprecher des Forums Law, Tax & Compliance, überzeugte als Diskussionsteilnehmer bei der hochkarätig besetzten Veranstaltung des DIHK, des Deutschen Steuerberater-Verbandes und der Europäischen Kommission kürzlich in Berlin mit seiner Expertise auf diesem Gebiet und stand nach der Veranstaltung für ein Fazit zu den sich ergebenden Konsequenzen für die betroffenen Unternehmen zur Verfügung.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem neuen Gesetz für die betroffenen Unternehmen?
Bisher war es im B2C-Geschäft in der EU mit elektronischen Dienstleistungen so, dass die Umsatzsteuer im Heimatstaat des Unternehmens zu zahlen war. Für Unternehmen, die in Deutschland sitzen demzufolge 19 Prozent, egal in welchem EU-Land der Kunde sitzt. Ab dem nächsten Jahr ist immer der Steuersatz des Landes zu nehmen, in dem die Dienstleistung genutzt wird. Er kann also zwischen 17 und 27 Prozent liegen. Die Unternehmen müssen den richtigen Satz auswählen, die Umsatzsteuer über eine zentrale Stelle melden und zahlen sowie nun das Umsatzsteuerrecht der andern EU-Staaten beachten. Das geht so weit, dass, wenn ich meine Leistungen nach Frankreich verkaufe, nun auch die französische Finanzverwaltung bei mir eine Prüfung durchführen darf.
Herr Ziska, welchen Eindruck haben Sie – sind die deutschen Unternehmen acht Wochen vor Inkrafttreten auf die Neuerungen vorbereitet, die sich für ihr Unternehmen ergeben?
Es gibt nach meiner Beobachtung im Wesentlichen zwei Gruppen: Die Early Birds – das sind meist größere Unternehmen, die internationales digitales Geschäft mit Konsumenten machen, die neuen Regelungen seit langem verfolgen und vorbereitet sind – und die Late Arrivals, also solche, die sich bis vor kurzem noch gar nicht bewusst waren, dass Neuerungen anstehen oder dass sie davon betroffen sind; hier ist der Zeitdruck enorm. Daneben wird es noch Unternehmen geben, die noch gar nichts von ihrem Glück wissen….
Für welche Unternehmen trifft das neue Umsatzsteuergesetz zu? Was sind elektronische Dienstleistungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts?
Immer dann, wenn man dem Kunden Services anbietet, welche über das Internet oder ein ähnliches Netz im Wesentlichen automatisiert erbracht werden, handelt es sich um elektronische Dienstleistungen. Daher gehören typischerweise Downloads dazu, nicht jedoch, wenn man per Chat berät. Es sind alle Unternehmen betroffen, die in dem Segment tätig sind, deren Kunden in anderen EU-Staaten sitzen und gleichzeitig – das ist ganz wichtig – sich nicht als Unternehmer ausweisen können. Innerhalb der EU macht man dies mit einer speziellen Umsatzsteueridentifikationsnummer. Es betrifft also nicht nur Unternehmen, die sich an Privatkunden richten, sondern auch solche, die den Public Sector oder NGOs/NPOs, die nicht als Unternehmer handeln, bedienen.
Was sollten Unternehmen bis zum 1. Januar 2015 noch regeln? Wie geht man dabei am besten vor?
Zuerst muss man natürlich herausfinden, ob man überhaupt unter die neuen Regelungen fällt. Als nächstes gilt es, sich über die Preisgestaltung Gedanken zu machen. Operiert man bisher mit einheitlichen Bruttopreisen gegenüber seinen Kunden, so kann das bedeuten, dass man bis zu sechs Prozent seines Umsatzes verlieren würde, weil man plötzlich eine höhere Umsatzsteuer abführen muss. Der nächste Schritt ist die Umsetzung in den Prozessen: Wie identifiziere ich das Heimatland meiner Kunden? Was muss ich beim Invoicing beachten? Wie kommen die Daten ins Rechnungswesen und an die Finanzverwaltung? Welche Daten muss ich wie archivieren?
Man könnte meinen, noch ein neues Gesetz, das Unternehmern das Leben schwer macht? Wie ist Ihre Meinung dazu?
Ich meine, die Medaille hat zwei Seiten: Es ist natürlich so, dass den Unternehmern das Leben schwerer gemacht wird, da sie sich nun auch um das Umsatzsteuerrecht der anderen EU-Staaten kümmern müssen, Abläufe zu ändern sind und die ganzen anderen Vorkehrungen zu treffen sind. Auf der anderen Seite führt das Gesetz zu mehr Wettbewerbsgerechtigkeit und auch zu gerechterer Steuerverteilung. Bisher konnten die Unternehmen, die es sich leisten können, ihren Sitz in Staaten mit niedriger Umsatzsteuer verlegen, meist war dies Luxemburg und haben den dortigen, niedrigen Steuersatz angewendet. Die Unternehmen in den Ländern mit höherem Satz hatten entsprechende Wettbewerbsnachteile und das Nachsehen. Außerdem landet nun die Umsatzsteuer bei dem Staat, in welchem die Dienstleistung genutzt wird. Nach Angaben Luxemburgs ist durch die Neuregelungen dort mit einem Steuerausfall von jährlich 700 Millionen Euro zu rechnen – dieses Geld kommt nun den anderen Staaten zu Gute.