Grünwald b. München. Im Zuge der „Luxemburg Leaks“-Affäre ist die öffentliche Diskussion über die „Steuerflucht“ internationaler Konzerne erneut ausgebrochen. Da auch prominente E-Commerce-Unternehmen als Nicht-Steuerzahler ausgemacht wurden, werden Steuerflucht und Internetökonomie oft in einem Atemzug genannt. Richtig ist, dass digitalen Dienstleistungen nicht nur komplexe Wertschöpfungsketten zugrunde liegen, sondern dass sie auf mobilen immateriellen Gütern beruhen, mit deren Erfassung sich alle Bereiche der Ökonomie seit jeher schwer tun. Auch steuerlich gesehen haben viele Bereiche der digitalen Wirtschaft also viralen Charakter.
Doch schnell wird vergessen, dass es beileibe kein neues oder gar von der Internetökonomie verursachtes Phänomen ist, dass Erträge in zunehmendem Maße aus immateriellen und damit mobilen Werten generiert werden, die sich dann steueroptimiert ins Ausland verlagern lassen. Lizenzen und Patente als Ertragsquellen werden in Europa gezielt in solche Standorte verschoben, die Einkünfte aus diesen Quellen nicht oder kaum besteuern – und zwar quer durch alle Branchen. Das ist weder ein Problem der digitalen Wirtschaft noch der internationalen Konzerne, das ist politisch so gewollt, wenn auch nicht von allen.
Die internationalen Aktionspläne zur Bekämpfung der Steuerflucht machen nun zugleich Vorschläge zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft. So löst die Tatsache, dass große Onlinehändler im deutschen Markt legalerweise kaum Steuern zahlen, weil sie nach bisheriger Definition kaum über Betriebsstätten in Deutschland verfügen, reflexartig die Forderung nach einer „Digitalisierung“ des Betriebsstättenbegriffs aus. Serverstandort oder „erhebliche digitale Präsenz“ sollen die Definition erweitern. Das sieht auf den ersten Blick wie eine fairere und stabilere Besteuerung aus, aber Vorsicht ist angebracht.
Schließlich profitiert gerade das Exportland Deutschland vom Betriebsstättenprinzip, denn die international erfolgreichen deutschen Unternehmen wickeln ebenfalls Teile ihres Geschäfts digital ab. Oft wird vergessen: Digitales Wirtschaften findet in allen Branchen statt. Im Falle einer steuerrechtlichen Neudefinition für webbasierte Wertschöpfung werden keinesfalls nur Internetunternehmen im engeren Sinne erfasst. Jede vermeintliche Modernisierung der Betriebsstättendefinition ist kritisch zu hinterfragen, ob diese nicht sogar zu einer Erosion der Steuereinnahmen führen kann.
Feststeht, dass jeder Versuch, komplexe digitale Dienstleistungen im internationalen Maßstab steuerlich zu erfassen, zu mehr Kontrolle und damit mehr Bürokratie führen wird. Ob dies angesichts der Tatsache, dass von der Digitalisierung augenblicklich nicht zuletzt in Deutschland die entscheidenden Wachstumsimpulse ausgehen, ökonomisch sinnvoll ist, sei dahingestellt. Dringlicher scheint deshalb, Risiken der Doppelbesteuerung zu vermeiden. Die digitale Wirtschaft ist nicht das (steuerliche) Problem, das liegt vielmehr darin, dass die kleinen und mittleren Unternehmen anders als internationale Konzerne die Möglichkeiten international unterschiedlicher Steuerregeln kaum nutzen können. Diese Unwucht im Steuersystem zu lösen, ist wichtiger als Onlinehändler in Deutschland partout besteuern zu wollen.