EZB-Ankaufprogramm kontra US-Zinswende
Konjunkturerwartungen
Mit einem Quartalsplus von 0,1 % schaffte es Deutschland der technischen Rezession zwar zu entgehen und Frankreich überraschte sogar positiv mit einem BIP-Zuwachs von 0,3 % im vergangen Quartal. Zuletzt gab es neben dem besser als erwartet ausgefallen BIP-Anstieg im Euroraum von 0,2 % aber auch andere positive Nachrichten. So stieg der ifo-Index erstmals wieder seit April an. Des Weiteren konnte im November der EU-Konjunkturindex den zweiten Monat in Folge ansteigen. Da gleichzeitig auch die Geldmenge M1 ihren Aufwärtstrend fortsetzte, besteht Hoffnung, dass die extreme EZB-Geldpolitik doch Wirkung entfaltet und zu einer Konjunkturverbesserung im Laufe des kommenden Jahres führt. Für Rückenwind dürften neben den niedrigen Energiepreisen auch ein schwächerer Euro-Außenwert sowie das von der EU geplante Konjunkturpaket sorgen. Dennoch ist die Konjunktur im Euroraum noch sehr fragil, worauf u. a. das erneute Minus von 0,1 % beim italienischen BIP hinweist.
Rohstoffmärkte
Die Impulse aus dem makroökonomischen Umfeld bleiben für Rohstoffe gedämpft. Zwar haben die Aussichten auf neue Lockerungsmaßnahmen der PBOC, EZB und BOJ auch Rohstoffen einen gewissen Halt gegeben. Allerdings waren die konjunkturellen Signale aus dem rohstoffintensiven Verarbeitenden Gewerbe der Regionen dieser drei Zentralbanken zuletzt per saldo überraschend schlecht. Im Gegensatz zu Aktien und anderen Finanzpapieren sind Rohstoffe nicht nur Investment- Produkte, sondern auch physisch gehandelte Güter. Die Entwicklungen der sogenannten Realwirtschaft spiegeln sich in deren Preisen wesentlich direkter und schneller wider. Solange hier keine fühlbare Verbesserung eintritt, dürfte deren Aufwärtspotenzial begrenzt bleiben. Allerdings zeichnet sich beim „Leitrohstoff“ Mineralöl analog zur Situation 1985/1986/1987 mit dem aktuellen Preisverfall eine Beschleunigung der Marktbereinigung und damit wachsende Chancen auf einen positiven Trendwechsel ab.
Inflationserwartungen
Im November ist die Teuerung im Euroraum leicht auf 0,3 % zurückgegangen. Die Kernrate verharrte hingegen nach erster Schätzung bei 0,7 %. Der markante Ölpreisrückgang schiebt den zyklischen Tiefpunkt bei den Verbraucherpreisen weiter nach vorne. Damit dürften die Sorgen vor einer Deflation zunächst noch Bestand haben und den Befürwortern des erweiterten Ankaufprogramms Argumentationsmasse liefern. Erst im Jahresverlauf 2015 ist mit einem moderaten Teuerungsanstieg zu rechnen. In Deutschland dürfte der 2015 eingeführte Mindestlohn zu Kostensteigerungen beitragen. In den USA könnte die Inflationsrate bereits zum Jahresende unter die 1 %- Marke fallen. Die Kernrate wird hingegen in erheblichem Umfang vom zunehmenden Auslastungsgrad der Wirtschaft und den kräftig steigenden Mieten gestützt. Im Laufe des kommenden Jahres dürfte noch verstärkter Lohndruck hinzukommen.
Internationale Kapitalströme
Die genährte Fantasie über eine Liquiditätsausweitung in Form eines noch breiteren Ankaufprogramms hat den Aktienmarktnotierungen im Euroraum zuletzt einen spürbaren Schub verpasst und die ohnehin bereits niedrigen Risikoaufschläge weiter gedrückt. Mario Draghi lässt bei vielen Anlegern mit Blick auf die Kursentwicklungen an den Kapitalmärkten wohl zum Jahresende die Korken knallen. Allerdings dürften sich viele Investoren besorgt fragen, ob angesicht des Erreichten fast schon irreal anmutenden Zinsniveaus der Kuchen bereits gegessen ist. Die Attraktivität von Rentenpapieren leidet immer mehr unter dem Eingriff der Notenbanken. Die Anleger setzten zum Teil auf Alternativen, die jedoch oft deutlich weniger Planungssicherheit bieten und höhere Risiken beinhalten. Im günstigen Fall profitiert die Realwirtschaft in Form zunehmender Investitionen. Der Euro-Dollar-Kurs hat die divergierenden Geldpolitiken partiell bereits eingepreist, dürfte bis Mitte 2015 jedoch noch weiter nachgeben und dann bei etwa 1,15 notieren.
Geldpolitik
Die Zinssenkungskarten sind alle ausgespielt. Mario Draghi wird den Lockerungskurs vermutlich mit einem erweiterten Ankaufprogramm nicht nur von Unternehmensanleihen, sondern auch mit Staatspapieren fortsetzen, vordergründig um eine Deflation abzuwenden. Die EZB geht mit der angepeilten Ausweitung ihrer Bilanzsumme von einer Billion Euro praktisch von einer Zinssteuerung zu einer Liquiditätslenkung über. Die bisher ergriffenen Maßnahmen (Ankauf von Covered Bonds, ABS und TLTRO) erzielen vermutlich noch nicht einmal die Hälfte des erwünschten Volumens.
Mit der Renditeabsicherung für die Euroländer erweitert die EZB ihren Einflussbereich und eröffnet neue Spielräume für fiskalpolitische Maßnahmen. Allerdings gibt es immer noch die alten Schulden- und Defizitgrenzen im Euroraum, die limitierend wirken. Damit begibt sich die EZB, so sind die Erfahrungen mit dem Thema Negativzins, noch tiefer in schwieriges (politisches) Fahrwasser, was langfristig ihrer Reputation Schaden wird.
US-Rentenmarkt
Mit 2,3 % liegt die Rendite 10-jähriger US-Treasuries rund einen halben Prozentpunkt unter den historischen Modellwerten bei Inflationserwartungen von rund 2 %. Noch ist der Renditeabwärtstrend intakt, was für einen unkritischen Jahresausklang spricht. Im kommenden Jahr dürfte die Nervosität im Vorfeld der Zinsanhebung jedoch ansteigen, zumal das zyklische Umfeld für steigende Renditen spricht. Die jüngsten robusten US-Konjunkturdaten und absehbare konjunkturell stimulierende Effekte des Ölpreisrückgangs deuten auf eine zügige Entscheidung der Fed bis zum Frühjahr hin. Jedoch geben die weltweit niedrigen Renditen und der allgemeine Anlagenotstand einen gewissen Schutz. Wir reduzieren daher unsere US-Renditeprognosen für 2015. Vermutlich werden 10j. US-Treasuries 2015 im ersten Halbjahr unter der 3 %-Marke notieren.
Basisszenario für Zinsprognosen
Die Konjunkturunsicherheit im Euroraum setzt sich in den kommenden Monaten fort. Teuerungsraten nahe Null im Euroraum nähren Deflationsängste. Mit einem erweiterten Ankaufprogramm von Unternehmensanleihen und Staatspapieren setzt die EZB ihren Lockerungskurs fort und geht von einer Zinssteuerung zu einer Lenkung der EZB-Bilanzsumme über. Die EZB schafft mit ihrer aggressiven Geldpolitik ein Gegengewicht zur Zinswende in den USA, die angesichts guter Konjunkturdaten eher früher als später kommt. Der Euro wird in diesem Umfeld schwächer. Die Konjunkturdynamik in den Schwellenländern bleibt unterdurchschnittlich. Rohölpreise und Inflationserwartungen bleiben vorerst auf einem niedrigen Niveau.
Alternativszenarien für Rentenmärkte
Rezessionsszenario: Die Weltwirtschaft einschließlich der USA gerät in einen spürbaren Abschwung. Unternehmen und Haushalte verlieren das Vertrauen in die Wachstumskräfte. Der Investitionszyklus bricht ebenso ab wie die private Nachfrage. Deutschland rutscht in eine Rezession. Die EZB verstärkt bei aufkommender Deflation die unkonventionellen Maßnahmen und kauft im großen Stil Staatsanleihen auf.
Aufschwungszenario: Der globale Konjunkturzug nimmt deutlich Fahrt auf. Der Investitionszyklus gewinnt spürbar an Breite. Die Notenbanken schießen über das Ziel hinaus und zögern, ihre Geldpolitik zurückzufahren. Die üppige Liquiditätsausstattung befeuert damit nicht nur die Kapitalmärkte, sondern treibt die Inflationserwartungen in die Höhe.
Performancerückblick
Im November legten deutsche Rentenindizes nochmals kräftig zu. Mittlere und lange Laufzeiten konnten stattliche Kursgewinne verzeichnen. Drei bis fünfjährige Pfandbriefe verbuchten eine Performance von rund 0,3 %, fünf- bis siebenjährige ein Plus von 0,7 %. Sieben- bis zehnjährige Papiere verzeichneten im laufenden Monat einen deutlichen Ertragszuwachs von 1,3 %. Dabei profitierten Pfandbriefe vom Ankaufprogramm der EZB und schnitten deutlich besser ab als Bundesanleihen.
In der Jahresbilanz konnten lange Laufzeiten ihren Vorsprung ausbauen. Sieben- bis zehnjährige Pfandbriefe weisen ein Plus von etwa 13 % auf. Seit Jahresbeginn konnten fünf- bis siebenjährige Papiere rund 8 % und drei- bis fünfjährige Anleihen etwa 4,1 % zulegen. Kurze Laufzeiten weisen einen Ertragszuwachs von knapp einem Prozent auf.
Ertragssensitivitäten
Mit sinkendem Renditeniveau steigt auch die Ertragssensitivität. Für den Betrachtungszeitraum von drei Monaten ergeben sich über das gesamte Laufzeitenspektrum bei deutschen Pfandbriefen keine Verluste, wenn der Renditeanstieg auf maximal fünf Basispunkte begrenzt bleibt. Im Januar lag dieser Schwellenwert noch bei zehn Basispunkten. Bei einem Zinsanstieg von 20 Basispunkten zeigt die Simulation bei einer Anlage mit einer Laufzeit von fünf Jahren einen Verlust von 0,8 % an. Im umgekehrten Fall ergibt sich ein Gewinn von etwa 1,2 %.
Im Negativszenario würden alle Laufzeiten einen Verlust aufweisen. Langlaufende Pfandbriefe hätten ein Minus von rund 6,5% zu verzeichnen. Der maximale Ertrag im positiven Szenario bei einer Investition in lange Laufzeiten läge bei etwa 3 %.
Laufzeitenempfehlung
Der 10/2-Spread von Bundesanleihen lag zuletzt bei unter 0,8 Prozentpunkten. Zu Jahresbeginn notierte er noch bei 1,7 Prozentpunkten. Eine andere Richtung schlug der 30/10-Spread ein, der seit Januar tendenziell angestiegen ist und erstmals seit sechs Jahren wieder über dem 10/2- Spread lag. Wenn die EZB mit dem erweiterten QE-Programm startet, wird die Zinskurve abhängig von den angekauften Laufzeiten vermutlich einige Verzerrungen aufweisen aber insgesamt gut abgesichert sein. Wir empfehlen daher auf taktische Sicht eine Anhebung der Duration im Laufzeitenportfolio. Mit einer nachhaltigen Abflachung ist aufgrund negativer US-Vorgaben im Jahresverlauf 2015 gleichwohl eher nicht zu rechnen.
Portfoliostruktur
Das Ankaufprogramm der EZB reduziert die Rückschlagsrisiken im ersten Quartal 2015. Wir erhöhen daher die Duration im Musterportfolio von 4,2 auf 4,8. Die Benchmark liegt bei 5,3. Der Anteil kurzer Laufzeiten bis zu 1½ Jahren wird von 5 % auf 0 % herabgesetzt. Das Gewicht zweiund dreijähriger Anleihen wird von 35 % auf 30 % reduziert. Im Gegenzug wird der Anteil sechsund siebenjähriger Rentenpapiere von 10 % auf 15 % und das Gewicht von acht- bis zehnjährigen Anleihen ebenfalls von 10 % auf 15 % angehoben. Das deutliche Übergewicht bei vier- und fünfjährigen Anleihen mit 40 % bleibt bestehen.
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