Den Haag/Frankfurt am Main (ots) – Im September bestimmten die zunehmenden Spannungen im Hinblick auf die Auszahlung der nächsten Darlehens-Tranche an Griechenland durch die Troika aus EU/IWF/EZB das Marktklima. Themen wie Hinweise auf einen Moral-Hazard-Effekt in Italien, Verknappung der Interbankenfinanzierung sowie die Diskussion um Garantien für die EFSF sorgten erneut für Verunsicherung. In diesem FocusPoint skizzieren wir unsere Einschätzung. Wir diskutieren vier mögliche Szenarien und ihre Folgen für die Renditeentwicklung am Anleihemarkt.
Wir möchten allerdings betonen, dass ein Zusammenbruch bzw. das Ende der Eurozone keinesfalls unser Basisszenario ist. Desgleichen erwarten wir keinen „Rauswurf“ Griechenlands aus der EWU.
Unsere Szenarien-Analysen
Wie sehr der Druck noch steigen wird und wie letztlich das Endspiel verläuft, lässt sich nicht zuverlässig vorhersagen. Vorstellbar sind indes verschiedene Szenarien. Anhand von vier möglichen Szenarien wollen wir die Folgen für bzw. die potenziellen Renditechancen an den Anleihemärkten aufzeigen. Desgleichen analysieren wir ihre Wirkung auf europäische Benchmark-Staatsanleihen über einen Zeithorizont von ein bis drei Jahren.
Neben unserem Basisszenario analysieren wir auch zwei pessimistischere und ein positiveres Szenario. Der stärkere Fokus auf Wahrscheinlichkeiten führt zu einer negativeren Ausrichtung der Szenarien und beruht auf der eher ungünstigen Risikobilanz der skizzierten Perspektiven.
1. Durchwurschteln (unser Basiszenario)
Im Rahmen des ersten Szenarios gehen wir von einer Art „Durchwurschtelei“ aus, bei der Marktvolatilität die politischen Entscheidungsträger dazu zwingt, die erforderlichen Mindestmaßnahmen für fortgesetzte Integration zu ergreifen. Das würde zwar zu wirksameren Lenkungsmechanismen führen, jedoch nicht zu einer langfristig glaubwürdigen Verhütung von Moral-Hazard-Effekten aufseiten von Regierungen und Finanzinstituten in der Eurozone. Bei diesem Szenario gehen wir von einem Risikoabschlag in Höhe von 60% auf griechische Anleihen aus. Auch bei einer Staatspleite würde Griechenland Teil der Währungsunion bleiben. Die Pleite eines anderen Landes bzw. einer systemtragenden Bank wird nicht angenommen. Auf Jahressicht könnte dieses Szenario mit einer 60%igen Wahrscheinlichkeit eintreten, die über einen Dreijahreszeitraum indes auf 10% sinkt. Über einen längeren Zeitraum ist eine glaubwürdigere und längerfristig angelegte Lösung nach unserem Dafürhalten unumgänglich, da der Druck noch zunehmen würde, sofern die Krise unbewältigt bleibt.
2. Lösung
Bei diesem Szenario wird eine langfristige und glaubwürdige Governance-Lösung mit einer nur begrenzten Umschuldung Griechenlands erreicht (Risikoabschlag von ca. 30%, wie im Rahmen des aktuellen PSI-Programms zur Beteiligung der Privatwirtschaft angenommen). Dabei würden wirksamere Lenkungsmechanismen umgesetzt, die Moral-Hazard-Effekte aufseiten von Regierungen und Finanzinstituten unterbinden. Zugleich würde das zu einer weiteren politischen und fiskali-schen Integration führen und eine Form der gemeinsamen fiskalischen Verantwortung schaffen (Stichwort: Eurobond). Zudem würde auf Dauer ein „Lender of last Resort“ für solvente Banken und Regierungen eingerichtet (eine EFSF-Bank oder ein dauerhaftes Securities Markets Program (SMP)). Für die Umschuldung insolventer Banken und Staaten gäbe es Einrichtungen zur juristischen Lösung. Wir gehen zudem davon aus, dass die Zinsen in AAA-gerateten Ländern deutlich steigen werden und in den Ländern ohne Top-Rating eine Erleichterungs-Rally stattfinden wird. Auf Jahressicht könnte dieses Szenario mit einer 10%igen Wahrscheinlichkeit eintreten, die über einen Dreijahreszeitraum indes auf 50% steigt.
3. Mühsames Überleben
Das dritte Szenario ist sehr viel pessimistischer. Hier führt das Unvermögen der Politiker, die Krise in den Griff zu bekommen, zu einem ungeordneten Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Im Ergebnis kommt es zu derartig katastrophalen Wirtschafts- und Finanzbedingungen in Griechenland (Depression, Massenarbeitslosigkeit, Unruhen, Ansturm auf Banken sowie Kapitalflucht), dass Pleite und Währungsabwertung gegenüber der Einhaltung der Troika-Auflagen als das kleinere Übel erscheinen. Da wir davon ausgehen, dass es sich dabei um eine einseitige Entscheidung Griechenlands handeln würde, wäre es in diesem Fall kaum möglich, Dominoeffekte an anderen europäischen Staatsanleihe- und Bankenmärkten zu vermeiden.
Die Kollateralschäden für die Realwirtschaft (schwere Rezession) sowie für die Bilanzen der öffentlichen Hand und des Finanzsektors wären dann so erheblich, dass eine breiter angelegte Umschuldung unumgänglich wäre. Bei diesem Szenario müssten griechische Staatsanleihen um 70%, irische und portugiesische Staatsanleihen um 40% und italienische und spanische Staatsanleihen um 20% wertberichtigt werden. Dabei gehen wir davon aus, dass die jeweiligen Regierungen systemtragende Banken vor einer Pleite retten würden. Wenn auch in weitaus geringerem Maße als beim zweiten Szenario würden wir in Ländern, die ihre Schulden-last abbauen, eine Erleichterungs-Rally bei Staatsanleihen erleben. Auf Jahressicht könnte dieses Szenario mit einer 25%igen Wahrscheinlichkeit eintreten, die über einen Dreijahreszeitraum auf 30% steigt.
4. Zusammenbruch der Eurozone
Dies ist das Worst-Case-Szenario: Nicht nur würden mehrere Länder einen Staatsbankrott anmelden und die EWU verlas-sen, auch die deutsch-französische Achse würde zerbrechen und damit die Europäische Union. Am Ende stünde lediglich eine Euro-Mark-Zone, der Deutschland, die Niederlande, Finnland, Österreich und Luxemburg angehören. Die übrigen EWU-Mitglieder würden dann wieder ihre alten Währungssysteme einführen. Im Rahmen dieses Szenarios gehen wir von folgenden Risikoabschlägen aus: 80% für Griechenland, 60% für Irland und Portugal, 40% für Italien und Spanien sowie 20% für Belgien und Frankreich. Auf Jahressicht könn-te dieses Szenario mit einer 5%igen Wahrscheinlichkeit ein-treten, die über einen Dreijahreszeitraum auf 10% steigt.
Ertragsszenarien
Die höhere Wahrscheinlichkeit der negativen Szenarien auf Jahressicht beruht auf der kurzfristig eher ungünstigen Risikobilanz.
Über einen Zeithorizont von drei Jahren sind wir dagegen weitaus optimistischer, wie sich von den angepassten Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Szenarien ablesen lässt. Dabei möchten wir betonen, dass unsere Ertragserwartungen stark von den Wahrscheinlichkeitsgewichtungen der einzelnen Szenarien abhängen.
Barclays Euro-Treasury-Tabelle gibt einen Überblick über (1) die Eintrittswahrscheinlichkeit der einzelnen Szenarien, (2) die mit europäischen Staatsanleihen generierten Erträge (die sich aus den Renditevorteilen gegenüber deutschen Werten sowie aus Spreadbewegungen ergeben) sowie (3) Durationserträge, die sich aus Veränderungen bei Haltekosten und Renditen ergeben. Zusätzlich haben wir den szenariogewichteten Gesamtertrag einbezogen. Es ist zu beachten, dass es sich bei den über einen Dreijahreshorizont erzielten Ertragszahlen nicht um annualisierte Erträge handelt.
Fazit: Wir setzen auf Diversifizierung
Diese Ausführungen sind natürlich im Kontext der eigenen Einschätzung des weiteren Verlaufs der europäischen Schuldenkrise zu sehen. Ist man überzeugt, dass die EWU die aktuelle Krise nicht überstehen wird, so mag es sinnvoll sein, sich an AAA-gerateten Benchmark-Staatsanleihen zu orientieren. Wir wären hier allerdings vorsichtig, denn eine solche Herangehensweise würde die Diversifikation stark verringern. Zudem könnte sich ein Auseinanderfallen der Eurozone auch auf die AAA-gerateten Länder negativ auswirken.
Mit anderen Worten: Will man sich völlig gegenüber der Staatsschuldenkrise in Europa absichern, so muss man alle auf Euro lautenden Werte verkaufen. Aber auch dieses Konzept wäre fragwürdig, denn ein Zusammenbruch der EWU würde die Finanzmärkte weltweit belasten.
Grundsätzlich legen die Resultate nahe, dass ein diversifiziertes Portfolio aus Euro-Benchmark-Staatsanleihen in drei der vier analysierten Szenarien stagnierende bis leicht positive Erträge generieren würde. Das gilt auch bei einer wahrscheinlichkeitsgewichteten Ertragserwartung bei allen vier Szenarien, die über einen Ein- sowie einen Dreijahreshorizont bei knapp 1% liegt. Das ändert sich natürlich grundlegend, wenn man davon ausgeht, dass die Wahrscheinlichkeit eines Euro-Kollapses 5 bis 10% deutlich übersteigt.
Orginal-Meldung: http://www.presseportal.de/pm/66684/2123466/focuspoint-anpfiff-zum-euro-endspiel/api