München/Zürich – Das Jahr 2015 hat mit 5,05 Billionen US-Dollar einen neuen Rekord im weltweiten M&A-Geschäft markiert. Im bisherigen Spitzenjahr 2007 summierten sich die Transaktionen auf 4,61 Billionen US-Dollar. Dennoch beteiligen sich die meisten Unternehmen trotz solider Bilanzen und günstiger Finanzierungsbedingungen nicht am M&A-Geschehen. Im vergangenen Jahr entfielen 38 Prozent des Transaktionsvolumens auf wenige große Übernahmen, sprich: Megadeals. Mit 69 Transaktionen, die insgesamt auf ein Volumen von über 10 Milliarden US-Dollar kamen, wurde auch hier ein Allzeithoch von 1,9 Billionen US-Dollar erreicht.
Die abwartende Haltung vieler Unternehmen ist zu einem guten Teil auf hohe Bewertungen und unsichere Konjunkturaussichten zurückzuführen. Hinzu kommt nach Beobachtungen der internationalen Managementberatung Bain & Company, die in der Studie „Rethinking M&A valuation assumptions“ zusammengefasst sind, ein weiterer Faktor: die hohen Hurdle Rates vieler Unternehmen von teils 10 Prozent und mehr.
Diese internen Renditeerwartungen ergeben sich aus den gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten sowie intern festgelegten Risikopuffern und sind eine wichtige Messlatte bei der Entscheidung für oder gegen eine Akquisition. Bain-Partner und Corporate-Finance-Experte Dr. Wilhelm Schmundt sieht die abwartende Haltung vieler Unternehmen kritisch: „Einige strategisch besonders attraktive Übernahmekandidaten kommen nur in Zeiten hoher Bewertungen auf den Markt.
Wer dann nicht handelt, muss oft zusehen, wie sich der Wettbewerb einen Vorsprung verschafft.“ Und er fügt hinzu: „Die Liquiditätsschwemme an den Kapitalmärkten treibt nicht nur die Bewertungen, sondern erleichtert auch die Finanzierung von Übernahmen.“ In Zeiten hoher Bewertungen lassen sich eigene Aktien besser als Akquisitionswährung einsetzen als in einer Baisse. Zudem verteilt sich so das implizite Bewertungsrisiko zwischen Käufer und Verkäufer.
Bis zu 95 Prozent der freien Mittel fließen in Aktienrückkäufe und Dividenden
Statt für Zukäufe verwenden Unternehmen ihre freien Mittel vor allem für Dividendenausschüttungen und den Rückkauf von Anteilsscheinen. Das Verhältnis der Mittelverwendung für M&A-Transaktionen zu Aktienrückkäufen und Dividendenzahlungen hat sich deutlich verschoben – von 80 zu 20 zur Jahrtausendwende auf zuletzt 30 zu 70 (Abbildung 1).
In Einzelfällen geben US-Konzerne mittlerweile bis zu 95 Prozent ihrer freien Mittel für Aktienrückkäufe und Dividenden aus. Dabei zeigen Langfristanalysen, dass gerade der Rückkauf von Anteilsscheinen mittelfristig nur einen geringen Effekt auf die Aktienrendite der Unternehmen hat – die zentrale Kennzahl für den wirtschaftlichen Erfolg aus Sicht der Eigentümer (Abbildung 2). Nach einer Bain-Analyse von mehr als 1.600 Unternehmen schafften im M&A-Geschäft aktive Firmen in der ersten Dekade dieses Jahrtausends eine durchschnittliche Aktienrendite von 4,8 Prozent.
Ihre inaktiven Wettbewerber mussten sich mit 3,3 Prozent begnügen. Unternehmen erzielen umso bessere Ergebnisse, je häufiger sie Zukäufe tätigen und je mehr sie in strategisch sinnvolle Übernahmen investieren. Die kumulierte relative Transaktionshäufigkeit ist neben der Akquisitionshäufigkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor. Besonders deutlich ist der Unterschied in der traditionell von Skalenvorteilen geprägten Industrie. Dort erwirtschaften Unternehmen, die zumindest eine Übernahme pro Jahr machten und Zukäufe mit einem Gesamtwert von mehr als 75 Prozent ihrer Marktkapitalisierung tätigten, eine Aktienrendite von 9,9 Prozent. Bei inaktiven Wettbewerbern belief sich diese auf gerade mal 1,0 Prozent.
Doppelte Risikovorsorge bei vielen Unternehmen
Vor diesem Hintergrund mahnt Dr. Martin Holzapfel, Bain-Partner und Leiter der M&A-Praxisgruppe, die Unternehmen zum Umdenken: „Den perfekten Zeitpunkt für strategisch wichtige Akquisitionen gibt es nicht. Gerade im zyklischen Industriegeschäft lässt sich dieser meist erst im Nachhinein erkennen.“ Viel wichtiger ist eine präzise Bewertung interessanter Übernahmekandidaten.
„Dies sind gut geführte Firmen mit sehr spezifischen Synergien“, erklärt Holzapfel. „Und die kennen ihren Wert.“ Zu hohe Hurdle Rates auf bereits vorsichtig kalkulierte Business- und Synergiepläne können unbeabsichtigt zu einer doppelten Risikovorsorge führen. Im Ergebnis verhindern sie anorganisches Wachstum. Doch nur mit M&As lassen sich in vielen Fällen die Renditeerwartungen der Eigentümer erfüllen. Holzapfels Fazit: „Akquisitionen sind ein integraler Bestandteil jeder Wachstumsstrategie. Es wäre fatal, wenn unangemessen hohe Hurdle Rates deren Umsetzung verhindern würden.“
Quelle: Bain & Company