Berlin – „Wir stellen fest, dass Anlegern aufgrund des aktuellen Umfeldes häufig empfohlen wird, bestimmte Aktien zu kaufen oder zu verkaufen“, sagt Klaus Porwoll, Gründer und Inhaber der unabhängigen Honorar-Finanzberatung PecuniArs. Ein „heißer“ Tipp zum Beispiel ist ein gezieltes Investment in Rüstungsaktien, weil sie von den zu erwartenden Investitionen in diesem Bereich profitieren sollen. „Davor kann ich nur warnen, denn das ist mehr Spekulieren als Investieren. Schließlich kann heute niemand mit Bestimmtheit sagen, welche konkreten Auswirkungen der Krieg in der Ukraine tatsächlich auf Konjunktur und Unternehmen haben wird“, sagt der Experte.
So können die erwarteten Investitionen in den Kursen der Rüstungsaktien zum Beispiel schon enthalten sein. Oder die Politik könnte ihre Zusagen plötzlich zurückziehen. Zudem können sich aus solchen eher engen gefassten Investmenttipps Risiken für den Investor ergeben. Zum Beispiel kann dies dazu führen, dass Anleger plötzlich eine bestimmte Branche zu stark gewichten. „Ohne Frage ist diese Art des „Markttimings“, also die situative Steuerung des Portfolios, äußerst riskant“, warnt der erfahrene Honorarberater. „Denn es gibt auch keine professionellen Anleger, die das immer hinbekommen.“
Anleger sollten Situation erst einmal gründlich analysieren
Er rät deshalb Anlegern, sich eher an der altbekannten Börsenweisheit, dass „politische Börsen kurze Beine haben“, zu orientieren. Sie besagt, dass politische Ereignisse die Märkte selten dauerhaft beeinflussen. Etwas, was sich in der Vergangenheit immer wieder bewahrheitet hat. „Natürlich ist verständlich, dass der Einmarsch Russlands in die Ukraine Anleger erst einmal verunsichert“, sagt er. „Dennoch rate ich dazu, Ruhe zu bewahren und die Situation gründlich zu analysieren.“
So zählt Russland zu den Schwellenländern und spielt global betrachtet aus Investorensicht keine große Rolle. Das verdeutlicht ein Blick auf die Struktur des weltweiten Börsenbarometers MSCI World. Dort kommen US-Unternehmen auf einen Anteil von fast 70 Prozent, deutsche Aktien derzeit auf rund 2,8 Prozent. Dagegen waren russische Papiere vor Beginn des Krieges in der offiziellen Statistik des MSCI World nicht einmal gesondert ausgewiesen, weil deren Gewicht im Index viel zu gering war. „Entsprechend haben die Märkte den Einmarsch Russlands nicht so stark bewertet“, so Porwoll weiter. „Tatsächlich war der Markteinbruch bei Beginn der Corona-Pandemie größer.“
Ruhe zu bewahren ist deshalb in politischen Krisen oberstes Gebot für Anleger. Und das gilt umso mehr bei der Betrachtung der Auswirkungen auf die Unternehmen. „Ich gehe zwar schon davon aus, dass wir Folgewirkungen sehen werden, aber niemand kann heute seriös beziffern, wie diese genau aussehen“, so der erfahrene Honorarberater weiter. Er warnt deshalb auch davor, solche Ereignisse zum Anlass zu nehmen, um größere Umschichtungen im Portfolio vorzunehmen.
Marktschwankungen durch breite Diversifikation begegnen
Stattdessen sollten Anleger die Grundsätze langfristigen Investierens auch in solchen Phasen einhalten. So muss einem Anleger zunächst klar sein, welches Maß an Risiko für ihn individuell passend ist. Darauf sollte dann die Vermögensallokation, also die Aufteilung zwischen riskanteren und sicheren Anlagen, basieren. Im nächsten Schritt geht es dann darum, breit gestreut zu investieren. „Denn Marktschwankungen sind üblich, und eine breite Diversifikation reduziert die Risiken in Krisenzeiten und damit die Kursschwankungen auf Portfolioebene, wie wissenschaftliche Untersuchungen immer wieder zeigen“, erklärt Porwoll weiter. Anleger sollten auch deshalb in schwierigen Phasen investiert bleiben.
Dennoch ergeben sich aus Krisen aber auch immer Chancen. „Da das Risiko in einer Krise stets niedriger ist als davor, erhöht sich die potenzielle Rendite danach deutlich“, sagt der Experte. Das heißt, es kann sich lohnen, nicht benötigte Liquidität in solchen Phasen zu investieren. Auch macht ein regelmäßiges Rebalancing des Portfolios Sinn. „Nach Beginn der Corona-Krise zum Beispiel lag der Aktienmarkt knapp 40 Prozent unter dem Ausgangswert vor der Pandemie“, erklärt Porwoll. „Besteht das Portfolio eines Anlegers zu 60 Prozent aus Aktien und zu 40 Prozent aus Anleihen, dann hat sich durch diese Bewegung die Gewichtung massiv verschoben.“
Indem ein Investor nach einem solchen Kurseinbruch die Ursprungsallokation wieder herstellt, kauft er automatisch Aktien zu einem günstigeren Preis nach. Wichtig ist dabei aber, die langfristigen Anlageziele nicht aus dem Blick zu verlieren und auf eine breite Streuung des Portfolios zu achten. „Denn nur so kann ein Anleger sicherstellen, dass er seine Anlageziele auf lange Sicht auch erreicht“, so das Fazit des Honorarberaters.
Quelle: PecuniArs strategic financial planning