Wie es um die Energiewende ein Jahr nach dem Atomausstieg steht, wie die Kürzung der Solarförderung die Branche trifft und warum es dennoch Perspektiven für Sonnenstrom gibt erläutert Wilfried Haas in einem Interview. Haas ist Geschäftsführer der GEDEA-Ingelheim. Der Ingenieur plant seit über 25 Jahren Anlagen zur Stromerzeugung aus regenerativen Energien.
Die Diskussion über die Höhe der Solarförderung geht weiter: Der Bundestag hat mit Wirkung ab 1. April die Vergütungen für Solarstrom stark gekürzt, der Bundesrat lehnt die Höhe der Einschnitte ab und ruft den Vermittlungsausschuss an.
Was bedeuten die Diskussionen und was die Kürzungen für die Energiewende?
Wilfried Haas: Die Energiewende wird deutlich verlangsamt. Zumindest für den Teil Photovoltaik-Solarstromanlagen ist sie vorübergehend komplett zum Erliegen kommen. Der Einschnitt durch den Bundestagsbeschluss war sehr drastisch, die Kürzungen sind planlos und ungerechtfertigt. So gut wie alle Projekte wurden gestoppt: von den Investoren wegen der notwendigen Neukalkulation und von den finanzierenden Banken wegen der nicht kalkulierbaren Risiken – und zwar schon in dem Moment als Änderungen nur angekündigt wurden.
Eine Reihe von Unternehmen hat bereits Insolvenz eröffnet und bei den Liefer- und Montagefirmen wurden zahlreiche Kündigungen ausgesprochen. Nachdem alle am Markt aktiven Unternehmen die notwendigen Anpassungsschritte unternommen haben wird nun bis zum 30. Juni die Tür scheinbar wieder geöffnet. Was die Politik veranstaltet ist allerdings reines Chaos. „Planung“ ist für alle in diesem Markt aktiven Unternehmen zum Fremdwort geworden.
Was bedeutet die Solarkürzung für die regionale Wertschöpfung?
Haas: Erneuerbare, dezentrale Energieanlagen sind eine große Chance, Strom dort zu erzeugen, wo er verbraucht wird – und das in der Hand der Bürger, nicht von Konzernen. Kleinere Dachanlagen werden sich nach einer Übergangszeit weiterhin lohnen, doch bei Bürgerbeteiligungen an Freiflächenanlagen werden sich nach Auslaufen der Übergangsfristen zunächst weniger Möglichkeiten der Teilhabe und attraktiven regionalen Geldanlage bieten. Durch die Nichtrealisierung von PV-Projekten sinkt die regionale Wertschöpfung entsprechend den nicht gebauten PV-Anlagen und dem deshalb regional nicht erzeugten Strom.
Zusätzliche negative Effekte entstehen durch den Verlust von regionalen Arbeitsplätzen bei heimischen Solarfirmen. Arbeitsplätze müssen dort abgebaut werden, weil es keinen adäquaten Ersatz gibt. Unternehmen, die sich ganz auf PV-Solarstrom konzentriert haben, sind bereits insolvent oder massiv insolvenzgefährdet. Nach Erhebungen des Bundesverbands Solarwirtschaft haben in Folge der gekürzten Solarförderung bereits mehr als die Hälfte der befragten Photovoltaik-Unternehmen in Deutschland Arbeitsplätze gestrichen. Die Umsätze sind deutlich zurückgegangen.
Wie macht sich das in Ihrem Unternehmen bemerkbar?
Allein durch die Ankündigung der Kürzungen haben wir direkt Stornierungen erhalten, z. T. durch Absagen der Banken für die Fremdfinanzierung. Die ganze Änderungsdiskussion hat uns sehr auf Trab gehalten. Wir waren bis Ende März voll ausgelastet, weil die Kunden noch vor dem Stichtag 1. April möglichst viele Anlagen montiert haben wollten. Mit dem 1.April kam der totale Einbruch – die Mitarbeiter unserer Montagepartner können seitdem zu Hause bleiben. Außerdem haben wir seither eine wesentlich geringere Nachfrage aus Gewerbe und Industrie festgestellt. Interessanterweise sind Privatleute weiterhin stärker interessiert: neben einer immer noch ordentlichen Rendite motiviert die Menschen, sich auch für die Umwelt zu engagieren – es besteht also Hoffnung.
Für unser Unternehmen halten sich die Auswirkungen noch in Grenzen, da wir kein eigenes Montagepersonal haben. Unsere bestehenden Solaranlagen und Beteiligungsgesellschaften sind nicht betroffen. Außerdem haben wir unser Engagement im Bereich Windenergie verstärkt, der bisher von EEG-Kürzungen glücklicherweise nicht betroffen ist.
Im PV-Bereich versuchen wir uns, auf die neue Situation einzustellen und Interessenten – wie bisher auch – wirtschaftlich rentable Angebote zukommen zu lassen. Wir bieten weiterhin nur qualitativ hochwertige Lösungen an und haben nach 25 Jahren im Bereich der Erneuerbaren Energien das Know-How, um interessante Lösungen für die zukünftigen technischen Anforderungen zu bieten. Netz-Managment, Eigenverbrauch und Stromspeicherung sind hier aktuelle Stichworte.
Lohnen sich PV-Anlagen denn überhaupt noch?
Haas: Wir sind ständig bemüht unseren Kunden technisch und wirtschaftlich interessante Angebote zu unterbreiten, trotz des ständigen Auf und Ab der Politik.
Nach dem 1.April sah es zunächst so aus, dass sich der Bau vor allem für kleinere PV-Anlagen bis ca. 200 m² am ehesten lohnt. Nach der Ablehnung durch den Bundesrat und der Ungewissheit bezüglich der Entscheidungen des Vermittlungsausschusses kann es sein, dass auch größere PV-Anlagen wieder interessant werden.
Werden künftig weniger PV-Anlagen und dafür mehr Windräder entstehen?
Haas: Der geringere Ausbau von PV kann nicht durch zusätzliche Windenergieanlagen kompensiert werden. PV-Anlagen liefern immer dann besonders viel schadstofflosen Strom, wenn der Strombedarf um die Mittagszeit am höchsten ist. Bei der Energiewende kommt es insbesondere auf den richtigen Energiemix an. Ansonsten kommt es, neben einer Reihe weiterer Probleme, insbesondere zu Problemen bei der Energieverteilung.
Wo steht Deutschland also nach Ihrer Einschätzung ein Jahr nach dem Atomausstieg in Sachen Energiewende?
Wilfried Haas: Bis Mitte Februar des Jahres war die Entwicklung gut. Sowohl im Bereich Solarenergie wie auch Windenergie-Nutzung war die Entwicklung im vergangen Jahr sehr positiv. Durch die Diskussion um die Solarförderung und durch die Kürzungen der EEG-Vergütungen wurde und wird die Entwicklung jedoch schlagartig gestoppt.
Welcher Redakteur hat diesen Beitrag veröffentlicht?
Veröffentlicht von: opr
am 18. Mai 2012 und wurde einsortiert unter:
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